Hanau. Menschen lernen durch das Spielen. Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses PoWi in der E-Phase der Hohen Landesschule in Hanau hatten am 6. März 2020 dazu die Gelegenheit: Sie durften ein ganz neues Planspiel zur Zukunft des Netzausbaus ausprobieren. Die Schülerinnen und Schüler haben dem Thema „Zukunft Netzausbau in Hessen“ einen ganzen Tag gewidmet – und zwar auf eine ganz besondere Weise. Keine Faktenberieselung, sondern klare Argumentation auf Basis von fundierten Fakten – ganz so wie im wahren Leben, wenn ein Tauziehen bei der Durchsetzung verschiedener Interessen herrscht. PoWi-Lehrer Dr. André Griemert hat dieses Planspiel, das von Wolf-Rüdiger Knoll von der Deutschen Gesellschaft in Berlin geleitet und vom Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen finanziert wird, für seine Schüler organisiert. Griemert nutzt dieses Thema für seinen Unterricht als Ausgangsbasis, um Aspekte der Energiewende im Rahmen des Klimawandels zu vertiefen. „Es geht darum“, erklärt Griemert, „bei jungen Menschen zum einen die Fähigkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe zu entwickeln und sich zum anderen eine eigene Meinung zu bilden. Zum dritten aber auch, Einblicke in komplexe Entscheidungsstrukturen vor dem Hintergrund vielfältiger Perspektiven zu erhalten.“ Hiervon ausgehend sollen im Unterricht Aspekte wie die Allemendengüterproblematik, die Rolle des Wirtschaftswachstums, alternative Wachstumsmodelle oder auch Fragen der Nachhaltigkeit und Klimapolitik anhand des Energiemarktes erörtert werden.
Planspiele sind ähnlich wie Rollenspiele aufgebaut, deshalb bekam jeder der 20 Schüler per Los eine der zehn verschiedenen Rollen (Landesregierung, Bürgermeister, Bundesnetzagentur, Netzbetreiber Tennet, Bundesverband der erneuerbaren Energien, IHK Hessen, Kreisbauernverbände, Bürgerinitiative gegen Strom, Nabu und Moderator) und dazu einen ausgedachten Namen. „Denn es geht bei dem Spiel nicht um die persönliche Ansicht des Schülers zu dieser Sache, sondern darum, dass jeder für die Rolle argumentiert, die er im Spiel hat.“, erklärt Wolf-Rüdiger Knoll.
Und so wurde an der HOLA die Diskussion um den Netzausbau in Hessen, die in der Realität schon Jahre dauert, im Zeitraffer absolviert. Diskussionsgrundlage war aber nicht der Original-Plan der Trasse, sondern eine fiktive Trasse: einmal als Vorzugsvariante, einmal als Alternativkorridor. Nach einem Einfinden in das Thema mit Zahlen- und Faktenmaterial, Einzel- und Kleingruppengesprächen mit den Leitern des Planspiels, Vorabdiskussionen unterschiedlicher Interessenlager untereinander und dem Suchen und Zurechtlegen überzeugender Argumente, schlug die große Stunde dieses Planspiels: die Diskussion am Runden Tisch. Und diese hat sogar der stellvertretende Schulleitung Helge Messner als Zuschauer mit Spannung erwartet.
Die Diskussionsrunde offenbarte ein differenziertes Vorgehen der Schülerinnen und Schüler, brachte aber auch einige Konfliktlinien mit sich, die vor allem von Seiten der „Bürgerinitiative gegen den Mastenwahn“ vertreten wurden. „Die Schülerinnen und Schüler an dieser Schule sind außerordentlich kompromissbereit“, stellte gleichwohl Knoll zum Ende der Veranstaltung fest. Zudem zeigte sich Knoll beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und der Diskussionsfreunde am Runden Tisch. Aber wie nah ist dieses Planspiel an der Realität? „Sehr nah!“, bestätigt er, zumal es in vielen betroffenen Orten in Hessen mittlerweile zu enormen Protesten gegen das Projekt käme. Doch während es in der Realität noch kein endgültiges Ergebnis gibt, sind die Schülerinnen und Schüler in Hanau schon weiter: In ihrem Planspiel einigen sie sich auf den Bau der Trasse – allerdings auf dem Alternativkorridor mit Erdverkabelung in den Naturschutzgebieten.


Foto 1: Referent Wolf-Rüdiger Knoll und der stellvertretende Schulleiter Herr Messner erwarten gespannt die Diskussionen am Runden Tisch

Foto 2: Intensive Vorbereitungen auf die Diskussionsrunde