von Florian Hofmann (Ex-Holaner)

Mit einem nachhallenden Theaterabend feierte die TheaterGruppe HOLA ihre Rückkehr auf der Comoedienhaus-Bühne und konfrontiert die Zuschauenden mit gesellschaftlichen Fragestellungen.


Foto: Die TheaterGruppe HOLA beim Schlussapplaus

Der TheaterGruppe HOLA gelingt nach drei Jahren Corona-Pause mit dem Stück „A.N.D.ers“ eine beeindruckende Rückkehr auf die Bühne im Wilhelmsbader Comoedienhaus.

Das von Spielleiter und HOLA-Lehrer Andreas Kühnel zusammen mit seinem bunten Ensemble selbst erarbeitete Stück erzählt von sich wiederholender Geschichte, (Alltags-)Rassismus, Ausgrenzung und Flucht. „Es reicht nicht, nichts zu tun“, stellte Kühnel in seiner Ansprache eindrücklich fest und leitet damit den Blick auf die Paralyse der Privilegierten und die „weiße Brille“ im Theater, die den Betrachtungswinkel Betroffener außen vor lässt.

„Die Beleidigungen sind austauschbar und wiederholen sich“, erklärt Kühnel die Anlage des Stücks. Daher sind alle Identitäten anonymisiert, die Geflüchteten kommen aus den fiktiven Ländern „A-Punkt“, „F-Punkt“, während die Haupthandlung in „D-Punkt“ stattfindet. So findet das Stück einen deutlichen Bezug zu Deutschland, ohne diesen offen auszusprechen.

Die Schülerinnen spielen außerdem keine festen Rollen. Im Stück stehen sich zwei Großchöre gegenüber, die bunten Geflüchteten den grauen D-Punktianerinnen, die in der Pause die Perspektive und die Rollenzuweisungen wechseln. So stehen sie sich nicht gegenseitig, sondern gemeinsam dem Problem gegenüber: Wo wollen wir gemeinsam als Gesellschaft hin? Diese Frage untersuchte die Inszenierung in ihren insgesamt acht Aufführungen, in denen die Sprechrollen täglich getauscht wurden, damit viele Darsteller*innen aus dem rund 35 Menschen umfassenden HOLA-Ensemble zu Wort kommen.

Die Geflüchteten sehen sich perfiden rassistischen Äußerungen der „Gastgeber“ gegenüber, während diese immer erneut von sich behaupten, sie seien weltoffen und haben aus ihrer Geschichte gelernt. Parallel wird die Handlung in D-Punkt gezeigt und immer wieder von Lebensläufen und Erlebnissen der Geflüchteten unterbrochen. Zum Ende erfolgt der Befreiungsschlag der Geflüchteten, die die um sie herum konstruierte Mauer der Ausgrenzung einreißen.

Auch das Publikum wird einbezogen, um eigene Erfahrungen oder vorbereitete, reale Erlebnisse mit Rassismus und Ausgrenzung vorzulesen und mit dem Ensemble symbolisch zu entsorgen. Ein emotionaler Höhepunkt, bei dem wenige Augen trocken blieben und ein besonders erinnerungswürdiger Moment.

Der traurige Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau war und ist ausschlaggebender Startpunkt für das Stück. Viele, auch mitwirkende Schülerinnen, haben Freunde, Verwandte verloren. Das traumatische Erlebnis selbst findet in dem Stück aber einen Platz in einem noch größeren Mosaik. Auf der Bühne wird ein Flickenteppich gezeigt, bestehend aus realen Erlebnissen der Schülerinnen, Zitaten aus klassischer und moderner Literatur, aus Foren im Internet und vielem mehr. Damit findet nahezu jede Facette der Ausgrenzung ihren Platz, ohne diese miteinander gleichzusetzen, oder zu vermengen. „Die Benannten kommen zu Wort“, ruft der Chor der Darstellenden dem Publikum entgegen.

Trotz der kurzen Probenzeit gelingt es der Theatergruppe, ein rührendes, wenn auch unangenehmes Stück auf die Bühne zu bringen, das nachklingt und noch Tage im Zuschauenden arbeitet. Und an dessen Ende in Anlehnung an ein Zitat von Martin Luther King steht: „Woran wir uns erinnern werden, sind nicht die Worte unserer Feinde. Es ist das Schweigen unserer Freunde. Die Frage lautet nicht, ‚wo kommst du her?‘, sondern, ‚Wo wollen wir gemeinsam hin?'“

Wir hoffen, dass wir von diesem Stück noch mehr werden sehen dürfen. Ein Austausch der Theatergruppe dazu mit dem Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky ist bereits in Planung. Ein Teil des Ensembles wird im Rahmen des Theaterfestivals Jetzt! UN(D)sichtbar am 1.10.2022 im Rahmen einer szenischen Lesung zu erleben sein.